ein Feuerwerk der Reize

Wenn eine Melodie dein Empfinden beschreiben soll,
wie würde sie klingen um dir zu gefallen?
Wenn aus der Melodie ein Lied werden könnte,
was wäre dein Text?
Wenn aus dem Lied eine Songliste deiner Empfindungen werden soll,
welche wäre deine bevorzugte Musikrichtung?

Mein Leben mit der Hyperakusis gestaltet sich immer schwieriger.
Wenn schon der – eigentlich fast immer – verständnisvolle Partner immer häufiger Reizbarkeit zeigt, weil
ich – wieder mal – zusammenzucke, er niest …während wir gemeinsam in unserem „Home-office“ an unseren Bildschirmen sitzen … ich also wieder mal hochkonzentriert bin und dieses Niesen mich aufschrecken lässt.

Ich schrecke auf und zittere. Meine Gedanken sind alle weg. Mein Kopf ist leer und gleichzeitig voller „Knall“.
Das Niesen war nicht lauter als sonst, aber es hat sich für mich in DEM Moment als Knall dargestellt. Dieser Knall dauert einige Minuten, in denen ich tief atme und mich damit wieder „runter bringe“.
Er ist genervt und ich kann das verstehen. Weiß aber nicht wie ich das „ändern“ kann.

Anderes Beispiel:
anstehende Familien-Geburtstagsfeier bei uns.
Mit uns sind wir acht Personen. Drei davon haben recht laute Stimmen und sind auch in Gesprächen generell sehr dominant.
Das heisst, sie reden gern und viel und laut.
Mit Humor kann man sagen, sie könnten ganze Straßenzüge super unterhalten.

Während der Vorbereitungen für das gemeinsame Beisammensein bei Kaffee und Kuchen wappne ich mich mit „Tinnitus-Melodien“ als mp3 – überlassen von der einen Ärztin der psychologischen Tagesklinik – mit Kopfhörern, um mich dem Nachmittag mit allen Eventualitäten zu stellen.
Was ich allerdings immer mit beachte:
Mein „Sitzplatz“ ist vorne an der Tür, aber auch so dass mein „besseres Ohr“ dem Tisch und damit den Gästen zugewandt ist.
Erstens kann ich so besser rein und raus wenn was zu holen oder rauszubringen ist und zweitens kann ich… „flüchten“.

Es klappte auch einige Zeit ganz gut. Doch nach etwa einer Stunde… musste ich raus.
Nahm äußerst diskret einige Teller  und eine Kaffeekanne und ging nach nebenan in die Küche.
Dort öffnete ich das Fenster, atmete einige Male tief ein und ruhig wieder aus, steckte mir eine Zigarette an und begann mit einigen weiteren „Übungen“ die mir im Laufe der Jahre nach und nach meistens geholfen haben.
Sozusagen „alles runterfahren“ – Stille erkennen – atmen, ausatmen, zählen, dem Pfeiffen und Schrillen im Kopf die „Beachtung entziehen“ und das so ruhig wie möglich.

Doch wenn nach einigen Minuten festegestellt wird dass ich ja nicht mehr dabei bin am Tisch… und die Küchentüre aufgeht und „Hey, wo bleibst du denn, ach du rauchst, das ist aber nicht nett wo wir doch so selten zusammenkommen. uns so selten sehen und da gehst du einfach raus…“ in einer schrillen lauten Tonart… ge“sagt“ wird…

laufen meine Tränen der Anstrengung und Verwirrung und Verletzbarkeit ganz von alleine.

Für „normal“ hörende Menschen ist es nicht oder nur minimal nachvollziehbar, was ich dabei empfinde und wie ich damit klarkomme.

Ich komme aber immer weniger damit klar.
Die Depressions-Phasen nehmen wieder zu und werden auch stärker.

Meine Rückzugstendenz wird stärker und ich sehne mich nach Ruhe, nach Stille.
Nach einer ruhigen Stimme mit normal-langsamer Aussprache, die ich neben dem Dauerfiepen gut verstehe und dabei auch alles Gesagte mitbekomme und nicht ständig nachfragen muss.

Wenn ich nahezu jede Minute meines Tages unter Voll-Anspannung stehe, mich somit ununterbrochen den ganzen Tag voll konzentrieren und sehr doll anstrengen muss, nur um zu hören und damit wahrzunehmen…

Zum Beispiel
Tinnitus- Fiepen, Straßenbahn, Autos, Uhrengeläut, Fahrräder, Mopeds, Gerede, Gerufe, Schuhe klappern, Wind und Wetter-Geräusche, Musik aus Kopfhörern die an mir auf zwei Beinen „vorbeigehen“
nur allein auf der Straße.
Alles auf einmal und alles gleich „laut“. Nichts „filterbar“.
Alles zusammen wird zu Knallrauschen und lässt mich innerlich zusammenschrumpfen.

DAS ist ein Beispiel. Und ja, dann ziehe ich mich zurück.
Suche die Stille. Setze mich bewusst aufs Sofa und genieße die Annäherungen unserer Katzen.
Bereite mich auf das „Abschalten“ vor. Auf Entspannungsübungen physisch wie psychisch.

Meine Hyperakusis lässt sich NICHT mit Hörgerät, Noisern oder psychischer Therapie „behandeln“ oder „normalisieren“.
Aufgrund mehrerer Ohrerkrankungen (nicht mehr operabel oder änderbar) wie Trommelfelldefekte, chronischer MIttelohrentzündungen, Gleichgewichtsorgan-Einschränkung und vernarbte Innenohren…
ist mein Hören in verschiedenen „Richtungen“ gestört.
Lärmschwerhörigkeit, Hyperakusis, Tinnitus und beidseitiger leichter bis mittleschwerer Hörschwäche…

Mir reichts schon lange, aber ich muss damit leben.
Doch immer öfter muss ich mich auch dafür erklären und entschuldigen.

Siehe auch

https://annalenakat.wordpress.com/themen/gesundheit-und-soziales/hyperakusis-wenn-das-hoersystem-ueberreizt-ist/

https://annalenakat.wordpress.com/2019/01/24/durchs-raster-fallen-gelassen/

https://annalenakat.wordpress.com/2017/10/31/wenn-h-p-d-g-und-a-c-zusammen-im-ohr-musizieren/

https://annalenakat.wordpress.com/2016/05/18/wenn-das-drumherum-einen-schafft/

 

 

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