LAUT

Wir sind alle Blätter an einem Baum, keins dem andern ähnlich,
das eine symmetrisch, das andere nicht,
und doch alle gleich wichtig dem Ganzen.

Gotthold Ephraim Lessing

Morgens mit Schmerzen aufstehen.
Gemeinsam kurz frühstücken, dann rüber gehen.
Mit dem geliebten großen Nachbarshund die Gassirunde drehen.
Dabei üben, die Füße und Beine richtig zu setzen,
trotz manchem Taumel dabei, nicht zu hetzen,
all das und den Rest in den inneren Einklang bringen
und gleichzeitig um Koordination und Konzentration ringen.

All die Geräusche ringsrum ein“sortieren“,
üben, mich auf den Hund und auf mich selbst und darauf zu konzentrieren:
dass er sich keine Scherben eintritt, wohin er (mich 😉 ) zieht,
dass wir keinen behindern, ob er was zu fressen sieht.

Dann wieder zu Hause, der Tag hat nun richtig begonnen,
wenn uns nichts ist passiert.
Mich konzentrieren, was nun alles ansteht,
Hoffen das mich nichts blockiert.
Die schmerzhafte Ohrenentzündung ignorieren.
Haushalt, Steuer/Bürokram, Termine koordinieren.

Das ist mit Hyperakusis ein Riesending,
Es kostet oft viel Kraft und Energie,
Es kommt zuviel zusammen, das macht mich mürbe,
nahezu jede meiner Handlungen wird zu einer Art Strategie.

Das kann sich keiner vorstellen,
der eine gesunde Wahrnehmung mit gesunden Ohren hat.
Nahezu jede Unruhe, fast jedes Geräusch
findet bei mir nicht nur in den (Trommelfell-kaputten) Ohren statt.

Dazu der Taumel, die Füße tun bei jeder Bewegung weh…
Ja ich weiß, das nervt, ich kann aber nichts für meinen Hammerzeh.
Ich laufe weiter, bleibe nur selten stehn.
Versuche ständig, einen Weg für mich zu finden um weiter zu gehn.

Muss mich rechtfertigen „So krank bist du doch gar nicht“.
Ich lächle oft, doch in mir ist ein müdes, erschöpftes Gesicht.
Alles zusammen ergibt keinen „richtigen“ Sinn.
Stille, jedes sanft gesprochene Wort, jedes Schnurren ist für mich wie ein seltener Haupt-Gewinn.

Das Fiepen im Kopf „höre“ ich seit gefühlt vierzig Jahren.
Es hat einen Namen, das habe ich inzwischen erkannt.
Es klingt wie eine Geige, manchmal übt „er“ ganz schlimm.
Manchmal ist es ein Trost für mich und manchmal völlig daneben, völlig abgefahren.

Warum muss ich mir anhören, ich wäre doch nur schwach?
Was ist denn „Schwach“, wenn alles kostet Kraft und Nerven?
Wer weiß denn, wie es ist, sich ständig mit allem anstrengen zu müssen?
Wer fühlt wie ich denn, das fast alles ist nur schmerzhafter Krach?

Wer andere in solcher Weise abwertet, sie so demütigt,
sollte sich fragen, ob er selbst jemals nur einen kleinen Teil
von dem ertragen könnte
mit dem ich täglich und minütlich kämpfe.

Jede Herablassung, jedes „nun hab dich nicht so!„.
Jedes „So ist die Welt nun mal!„, jedes „Kann man da nichts gegen machen?
Jede Rechtfertigung und jede meiner Tränen deswegen
fühlen sich an wie furchtbare, giftige Dämpfe.

Ich atme sie ein, das Gift der Häme und der bösen Zungen.
Wie oft ich habe schon um Fassung gerungen?
Wenn ich nicht lächeln würde, würde ich weinen.
Ich lächle öfter, denn ich selbst bin mit mir im Reinen.

 

 

 

 

Ich habe erkannt, dass ich „nicht schuldig“ bin.
Ich habe erlebt, dass ich habe auf dieser Welt einen Sinn.
Auch ich darf hier sein und muss mich nicht ständig verteidigen.
Auch ich darf ich sein und muss mich nicht lassen beleidigen.

Auch ich muss nicht müssen, ich habe zu lange funktioniert.
Nicht jedes Wesen dieser Welt ist ein Roboter, nicht jeder ist inszeniert.
Manche haben mehr Emotionen als fünf andere zusammen.
Deswegen braucht kein Emotionsarmer den Fühlenden rammen.

Warum ich das schreibe? Weil ich wieder erfahren musste, dass ich
ach Gott so schlimm kann das doch nicht sein
wie ne Simulantin behandelt werde, von jemanden aus meiner Familie,
ich war und bin erschüttert und kurz vorm Schrei´n.

Doch Schreien ist laut und laut tut mir weh.
Ich mag die Winterglätte nicht, aber den sanft und still rieselnden Schnee.
Das ist kontrovers, wie so vieles auch in meinem Leben.
Doch will ich der Sonne und ihrer freundlichen Wärme immer eine Chance geben.

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